‹Techiyah Hebrew›

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Mit der Typographischen Bibliothek der Schriftgiesserei «Amsterdam» (vormals «N. Tetterode») besitzt die Universitätsbibliothek Amsterdam (UvA) bereits seit 1971 eine bedeutende Sondersammlung zum Thema Druckschrift. 2010 übernahm die UvA dann auch das Produktionsarchiv der Firma aus den Jahren 19071977. Dieser Bestand wurde in den letzten Jahren komplett digitalisiert. Im «Archief Letterproductie van Lettergieterij Amsterdam» finden sich Spuren der Entwurfsprozesse einer Reihe bedeutender, für die Schriftgiesserei tätiger Gestalter wie Sjoerd H. de Roos, Jan Tschichold, Imre Reiner oder Roger Excoffon. Neben deren bekannten Entwürfen finden sich aber auch solche, die nie veröffentlicht wurden. Ein solcher ist der für eine konstruierte hebräische Serifenlose mit dem Namen Techyiah (Wiedergeburt), mit der die Schriftgiesserei Mitte der 1930er Jahre auf den neuen jüdischen Markt in Palästina abgezielt hatte.

Techiyah

(UvA) UBA519/168 [0025]: Techyiah Hebrew, Schriftmuster, o.D.

Mit der Ausarbeitung der Schrift war in Amsterdam Dick Dooijes betraut. Dooijes war zu diesem Zeitpunkt bei der Schriftgiesserei als Assistent von S. H. de Roos tätig und zeichnete bereits für eine Reihe von Schriften verantwortlich. Dooijes erwähnt das Projekt in seiner Autobiographie Mijn leven met letters (Amsterdam, 1991). Hier schreibt er, wie die Produktion bereits in Angriff genommen worden war, aber der Ausbruch des Weltkriegs 1939 die Handelsbeziehungen zu den potentiellen Abnehmern in Palästina verunmöglicht und dazu geführte hatte, dass die Schrift schliesslich in der Schublade verschwand. Die nun in digitaler Form zugänglichen Dokumente zeigen, dass das Projekt tatsächlich bereits weit gediehen war. Doijes hatte die Techyiah in zwölf Grössen gezeichnet sowie passende Ziffern, Interpunktions-, und Sonderzeichen entworfen. Aus den nun zugänglichen Dokumenten geht aber auch hervor, dass Dooijes – was er in seinen Erinnerungen unerwähnt lässt – keineswegs allein für den Entwurf verantwortlich war. Massgebliche Impulse kamen vom Jerusalemer Maler und Grafiker Meir Gur-Aryeh [Gur-Arie]. Von Gur-Aryeh stammen wohl nicht nur die ursprünglichen Entwürfe, er kommentierte auch kritisch die weitere Ausarbeitung derselben durch Doijes. Gur-Aryeh war kein Schriftgestalter, aber er war bestens vertraut mit den zeitgenössischen Versuchen im Bereich der hebräischen Gebrauchsgrafik, die Ästhetik der damals modischen «elementaren» lateinische Schriften auch auf das hebräische Schriftsystem anzuwenden.

(UvA) UBA519-170 [0019]

(UvA) UBA519/170 [0019]: Erster Entwurf zur Schrift von Meir Gur-Aryeh, 1935

UvA UBA 519 171 0001

(UvA) UBA519/171 [0001]: Zweiter Entwurf von Gur-Aryeh, 1936

Im Bereich der Druckschriften stand als entsprechende Auszeichnungsschrift vor 1935 nur eine einzige Schrift zur Verfügung – die aus geometrischen Elementen konstruierte Chaim. Ihr Schöpfer, der damals in Warschau tätige Grafiker Jan LeWitt, orientierte sich bei seinem Entwurf offenbar an den gezeichneten kyrillischen Schriften, die seit Mitte der 1920er Jahre von konstruktivistischen Gestaltern wie Alexander Rodschenko verwendet wurden. Auch wenn das durchgehend eckige Schriftbild der Chaim von Gur-Ariyeh und Dojies um einige gezielt gesetzte Rundelemente ergänzt wurde, stellt LeWitts Schrift zweifellos den wichtigsten Ausgangspunkt für den Entwurf der Techyiah dar. So findet sich im Bestand u. a. auch ein Muster aus der Warschauer Schriftgiesserei Jan Idżkowski i S-ka, für die Chaim ursprünglich gezeichnet wurde. Wie der hebräische Stempel mit dem Namen des Generalvertreters für «Erez Israel» verrät, erreichte der Katalog aus Warschau Amsterdam via Palästina.

Haim

(UvA) UBA519/169 [0021]: Chaim, Schriftmuster, um 1930

 

Die entsprechenden Verzeichniseinheiten im Online-Katalog der Sammlungen der Universität Amsterdam:

  • (UvA) UBA519/168 (Andrucke und Notizen, 1936, 1948)
  • (UvA) UBA519/169 (Andrucke mit Anmerkungen, 1936; Hebräische Schriftmuster der Firma Jan Idżkowski i S-ka, Warschau, um 1930
  • (UvA) UBA519/170 (Erster Entwurf von Meir Gur-Aryeh, 1935)
  • (UvA) UBA519/171 (Zweiter Entwurf von Gur-Aryeh, 09.04.1936)
  • (UvA) UBA519/172 (Andrucke mit Kommentaren von Gur-Aryeh)
  • (UvA) UBA519/173 (Mit Bleistift ausgeführte Entwürfe. z. T. auf Pauspapier)
  • (UvA) UBA519/174 (Vokalisierungszeichen, Satzbeispiele)
  • (UvA) UBA519/175 (Satzbeispiele, Andrucke, aufgeklebte fotografische Reproduktionen
  • (UvA) UBA519/176 (Anmerkungen zur Produktion, Bleistiftskizzen, Satzbeispiele, Angaben für Matrizen, Hebräische Schriftmuster der Firma Stanisław Jeżyńskiego, Warschau, 1935–1937)